Dieses Skript entstand im Juni 2020 für eine Klasse in Vorbereitung auf eine Meisterprüfung im Handwerk.
Die Jahresabschluss-Kennzahlen sollen dabei helfen, einen Jahresabschluss zu analysieren und zu interpretieren.
In einer Aufstiegsfortbildungs-Prüfung soll man vor allem die Kennzahlen
- berechnen
- interpretieren
- vorschlagen, wie man die Kennzahl „verbessern“ (ändern) könnte
Für die Berechnung gibt es Formelsammlungen. Die Interpretationen sind vielfältig; die meisten Kennzahlen können nicht sinnvoll interpretiert werden ohne viel Hintergrundinformation und Kontext. Die Liquiditäten 1-3 sind objektiv, Eigenkapitalquote und Anlagendeckung sind auch noch einigermaßen objektiv. Fast alle anderen sind es nicht.
Um eine Kennzahl, also ein Rechenergebnis, zu verändern, muss ich mindestens eine Zahl in der Berechnung verändern. Je nach Kennzahl gibt es da verschiedene Möglichkeiten.
Für die Prüfung einer Aufstiegsfortbildung brauchen wir drei Kategorien:
- Vermögensstruktur
- Kapitalstruktur
- Erfolgskennzahlen
Kennzahlen der Vermögensstruktur
Hier werden Posten des Vermögens (der Aktiva) in Beziehung gesetzt zur Bilanzsumme (entspricht der Summe des Vermögens, Summe der Aktiva). Anlagevermögen, Umlaufvermögen in Summe, Vorräte, Forderungen und liquide Mittel jeweils werden durch die Bilanzsumme geteilt. Am Ergebnis erkennt man deutlich, welcher Vermögensposten welchen Anteil hat.
Interpretationsmöglichkeiten:
Tendenziell ist jeder Vermögensposten, von dem man viel hat, zuerst schön, weil man viel von einem Vermögenswert hat. Auf der anderen Seite liegt in allem, wovon man viel hat, ein Risiko, weil es kaputt gehen kann, geklaut werden oder einfach wertlos werden kann.
Viele Vorräte sind ein Wert, können aber geklaut werden oder vergammeln. Viele Forderungen sind ein Wert, können aber ausfallen oder wertlos werden. Usw.
Man kann z.B. die Vorratsquote ändern, indem man mehr oder weniger Vorräte einkauft. Man kann die Quote liquider Mittel ändern, indem man mehr Geld ausgibt oder einnimmt.
Die Kennzahlen der Vermögensstruktur werden standardmäßig in Prozent angegeben.
Kennzahlen der Kapitalstruktur
Hier werden die Passivposten ins Verhältnis gesetzt zur Bilanzsumme (entspricht der Summe des Kapitals, der Passiva).
Vor allem wird verglichen, wieviel Eigenkapital und wieviel Fremdkapital da ist. Tendenziell bedeutet viel Eigenkapital ein starkes Unternehmen (hier gibt es verschiedene Meinungen).
Für den „Verschuldungsgrad“ setzt man Eigenkapital ins Verhältnis zum Fremdkapital.
Um die Kennzahlen zu ändern, muss man logischerweise einen der Werte ändern.
Mehr Eigenkapital: Einlagen, neue Gesellschafter aufnehmen, Gewinn nicht ausschütten u.a.
Weniger Fremdkapital: Schulden abzahlen. Ganz clever: Gläubiger zu Mitunternehmern machen (klappt fast nie).
Die Kennzahlen der Kapitalstruktur werden standardmäßig in Prozent angegeben.
Anlagendeckung I – II
Bei der Anlagendeckung wird gefragt, wie stark das Anlagevermögen (AV) durch Eigenkapital (I) bzw. durch Eigenkapital plus langfristiges Fremdkapital (II) gedeckt ist.
Tendenziell ist es finanziell ungesund, wenn die Finanzierung kürzere Laufzeiten hat als das Anlagevermögen.
Die Anlagedeckung wird meistens in Prozent angegeben (dann wurde geteilt), selten in EUR (Minusrechnung).
Verbessern: Weniger Anlagevermögen oder mehr Eigenkapital; AV leasen.
Erfolgskennzahlen
Erfolgskennzahlen können sinnvoll in zwei Unterkategorien aufgeteilt werden:
- Nur aus der GuV abgeleitet
- GuV-Zahlen in Kombinationen mit Bilanzwerten
Erfolgskennzahlen aus der GuV
Eine wichtige Kennzahl für den Unternehmer ist der Rohgewinn I, Umsatzerlöse minus direkte Kosten.
Dieser ist je nach Branche zwischen 99,9% und 0,002%. Niedrig z.B. bei Computer-Hardware und vielen Mineralölprodukten; hoch z.B. bei vielen chemischen Erzeugnissen und Textilien.
Verbessern: Direkte Kosten senken und/oder Umsatzerlöse in höherem Verhältnis steigen lassen als direkte Kosten.
Rohgewinn II: Vom Rohgewinn I die Personalkosten abziehen. Hier kann man zusätzlich versuchen, Personalkosten zu senken, was aber unternehmerisch nicht immer optimal schlau ist.
Erfolgskennzahlen zur Rentabilität
Rentabilität: Wie sehr lohnt sich etwas? Lohnt sich die Investition des Eigenkapitals? Dafür setzen wir den Gewinn ins Verhältnis zum Eigenkapital.
Bei der Gesamtkapitalrentabilität fragt man zusätzlich, wie gut das Fremdkapital mitverdient. Wie verbessert man das? Weniger Kapital und/oder mehr Gewinn.
Umsatzrentabilität oder Umsatzrendite: Gewinn im Verhältnis zum Umsatz. Verbessern: Mehr Gewinn durch mehr Umsatz und/oder weniger Kosten.
Cash Flow (CF)
Der Cash Flow ist der „zahlungswirksame“ Gewinn. Hier werden alle Erfolge (Aufwendungen und Erträge) herausgerechnet, die nicht zu einem zeitnahen Geldfluss führen, z.B. Abschreibungen (Geldabfluss meistens lange vor der Abschreibung, bei Anschaffung des Anlagegutes) und Zuführung zu langfristigen Rückstellungen (Geldabfluss meistens lange nach der Einbuchung).
In verschiedenen Lehrbüchern gibt es mehrere CF, mehrere Abstufungen und verschiedene Varianten.
Die verbreitetste, einfachste Form: Gewinn + Abschreibungen.
Verbessern: Mehr Gewinn. (Rechnerisch: Mehr Abschreibungen, aber nicht unternehmerisch sinnvoll.)
Dynamischer Verschuldungsgrad
Im Zusammenhang mit der Verschuldung teilt man das Fremdkapital durch den CF des Jahres. Dies zeigt, wie viele Jahre hintereinander dieser CF erzielt werden muss, um die Schulden abzuzahlen. Das Ergebnis nennt man den „dynamischen Verschuldungsgrad“, der in Jahren angegeben wird.
Verbessern: Mehr Gewinn oder weniger Schulden.
Leverage-Effekt
Der Leverage-Effekt ist keine Kennzahl, wird aber im Umfeld dieses Themas manchmal gefragt.
Wenn das Fremdkapital mehr verdient als die Zinsen, kann das Eigenkapital daran mitverdienen. Also es wird Fremdkapital investiert, und wenn die Investition schlau war und gut funktioniert, gibt es mehr Gewinn.
Der höhere Gewinn wird nun durch das mehr oder weniger gleich gebliebene Eigenkapital geteilt, also ist logischerweise das Ergebnis höher.
Kennzahlen zur Wirtschaftlichkeit
Hierfür gibt es insbesondere die Umschlags-Kennzahlen. Diese fragen danach, wie schnell sich Bestände umschichten, also wie schnell werden Forderungen bezahlt, wie schnell bewegt sich das Kapital, usw.
Forderungsumschlag
Umsatz im Verhältnis zum Forderungsbestand. Fragt danach, wie schnell Geld ins Unternehmen zurückfließt.
Dies ist eine relativ objektive Kennzahl, da sie für sich allein Einiges aussagt. Je schneller die Kunden zahlen, desto besser für das Unternehmen. Das bedeutet tendenziell ein geringeres Ausfallrisiko, gute Liquidität und geringe Zinsbelastung.
Wird angegeben als Zahl mit 1-2 Nachkommastellen.
Verbessern: Kürzere Zahlungsziele, mehr Mahnungen, intensiver freundlicher Austausch mit Kunden. Auch bessere Leistungen können helfen.
Durchschnittliche Kreditdauer (an Kunden!)
Was nicht unbedingt aus der Bezeichnung hervorgeht, was hier gemeint ist: Wie lange gewähren wir Kredit an Kunden, also wie schnell oder langsam zahlen unsere Kunden? Wenn das nicht läuft wie mit den Kunden vereinbart, kann die Unternehmerin überlegen, warum.
Dies ist nur eine mathematische Variante des Forderungsumschlags, bezogen auf vereinfacht 360 Tage im Jahr.
Rest wie bei Forderungsumschlag.
Kapitalumschlag und Kapitalumschlagsdauer
Fragt, wie oft das Kapital in den Umsatz passt. Die Kapitalumschlagsdauer bezieht dann das Ergebnis auf vereinfacht 360 Tage des Jahres.
Tendenziell: Je höher die Zahl, desto schneller und agiler/beweglicher das Unternehmen.
Verbessern: Mehr Umsatz und/oder weniger Kapital.
Kontrollformen: JA-Kennzahlen im Vergleich
Eine mögliche Art, Kennzahlen darzustellen, ist eine Zeitreihe für Werte des eigenen Unternehmens. So kann man die Entwicklung verfolgen und z.B. sehen, ob bestimmte ungünstige Werte dauerhaft sind oder ob es Tendenzen gibt.
Plan-Ist-Vergleich
Eine andere Option ist, Planzahlen mit den Ist-Werten zu vergleichen. Das kann ganz gut funktionieren, wenn sowohl die Planwerte als auch die Ist-Werte sauber erarbeitet wurden.
Betriebsvergleich / Branchenvergleich
Sofern man Zugriff auf Branchenwerte hat, kann man das eigene Unternehmen mit vergleichbaren Unternehmen (oder auch mit anderen) vergleichen. Wenn die externen Daten zuverlässig sind und wenn die anderen Unternehmen sinnvoll vergleichbar sind, kann das hilfreich sein.
Benchmarking
„Benchmarks“ sind besonders „gute“ Werte anderer Unternehmen, an denen sich die Unternehmerin orientieren kann. Hier werden sowohl Zahlen des Jahresabschlusses herangezogen als auch andere externe Zahlen, auf die man Zugriff hat.
Wie bei den meisten Vergleichen, ist hier vieles mit Vorsicht zu genießen.
Goldhahn meint
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