Im Juni-Juli 2014 mache ich meine erste Erfahrung mit dem Xpert Business Zertifikat
Ich nutze oft die Lehrbücher von EduMedia und finde viele davon sehr gut.
Nun mache ich meine erste Erfahrung mit einer zertifizierten Prüfung von Xpert Business. Ich habe eine neue Klasse, die ein paar Vorkenntnisse hat (kaufmännische Ausbildungen) und sehr motiviert ist.
Der Unterricht läuft gut, die Teilnehmer machen sehr aktiv mit. Dies ist der erste Kurs in meiner Laufbahn, der sogar verlangt, Hausaufgaben für das Wochenende zu bekommen und diese dann auch noch bearbeitet.
Bereits während des Kurses finde ich, dass die Lehrbücher, und damit auch die Prüfungsanforderungen, zu schnell in die Details gehen, bevor die Teilnehmer auch nur Gelegenheit hatten, das Grundsätzliche zu verstehen.
Das ist aus meiner Sicht kein Anfänger-Kurs mehr. Wer das Grundsätzliche nicht verstanden hat, kann kaum die Fähigkeit erwerben, flüssig mit den Details umzugehen.
Ich sehe meine Berufung darin, Menschen etwas beizubringen, dass sie später auch gebrauchen können, auf eine Art und Weise, dass sie es langfristig verstehen.
Erstmal sollen die Schüler den Aufbau der Buchhaltung verstehen, die Struktur von Bilanz und GuV. Sie sollen einen Überblick erhalten, wo sich welche Kontenbewegungen abspielen.
Ich fange erst an mit den Kategorien, z.B. Personalaufwand und sonstige Verbindlichkeiten. Erst später splitte ich auf in Löhne, Gehälter, Arbeitgeberanteil an der SV, Unfallversicherung, sonstiger Personalaufwand, Verbindlichkeiten aus Lohnsteuer, Sozialversicherung, Nettolöhnen, usw.
Die Schüler sollen erst einmal verstehen, was Privatentnahmen und unentgeltliche Wertabgaben sind und wo im Jahresabschluss sich etwas bewegt, wenn diese Vorgänge stattfinden, bevor sie in die Details der 1%-Regelung abtauchen und lernen, dass man Warenentnahmen mit Umsatzsteuer bucht und welche Besonderheiten es beim Telefon-Eigenverbrauch gibt.
Sie sollen erst einmal Aufwand an sich verstehen, dann sonstigen betrieblichen Aufwand, dann Werbekosten, ehe sie in die tiefsten Tiefen des Themas Geschenke eintauchen und erkennen, dass es eine Ausnahme von der 35,00-EUR-Grenze gibt für Beerdigungskränze.
Sie sollen zunächst Umsatzsteuer und Vorsteuer verstehen und dann, wenn das solide sitzt, die Umkehr der Steuerschuld kennenlernen.
Ich finde es wichtig, mindestens die ersten 2 Wochen mit T-Konten zu verbringen. Buchhaltung lernen die meisten durch das Arbeiten mit T-Konten. Dort bildet sich das Verständnis für die Struktur und das Gefüge der Konten in Bilanz und GuV.
Bei den Bausteinen von Xpert Business ist aber für T-Konten keine Zeit. Es beginnt zwar mit relativ einfachen Grundlagen, geht dann aber schnell in die Details der Umsatzsteuer-Voranmeldung, bevor man Zeit hatte, zu verstehen, wo Umsatzsteuer und Vorsteuer im Kontengefüge angesiedelt sind.
Auf diese Weise lernen die Teilnehmer, die gut auswendig lernen können, einen Haufen Fachliches auswendig, ohne die Inhalte wirklich zu verstehen.
Wir machen mit dem Buch weiter. Die Übungen laufen noch gut. Dann kommt die Prüfung.
Beim ersten Anlauf fallen zwei durch, und die restlichen Ergebnisse sind auch nicht so gut.
Nach meiner Meinung ist die Behauptung, für das Modul 1 würden „keinerlei Vorkenntnisse“ benötigt, bestenfalls Wunschdenken. Ohne Vorkenntnisse kann jemand vielleicht die Prüfung bestehen, aber keine wirklichen Kenntnisse erwerben, weil die Grundlage fehlt.
Im zweiten Modul geht es weiter mit: Details, Details, Details. Hinzu kommen ein paar verwirrende Dinge. Rechnungen von einem Rechtsanwalt werden z.B., nur weil die Zahlung im nächsten Jahr stattfindet, als „sonstige Verbindlichkeiten“ gebucht.
Die Leistung eines Rechtsanwaltes ist aber nun mal eine Leistung und gehört demnach auf Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen. In einer kleinen Fußnote ist an einer Stelle zwar vermerkt, dass dies auch richtig sei, aber in allen folgenden Beispielen wird weiterhin, wenn nicht falsch, so doch zumindest unelegant, über „sonstige“ abgegrenzt.
Profis können das einordnen. Für Anfänger ist so etwas sehr verwirrend.
Rückstellungen für Ertragsteuern werden in einigen Fällen nicht direkt aufgelöst, sondern über „Verbindlichkeiten aus Betriebsteuern“ umgebucht. Sicher, das ist nicht falsch, aber in 20 Jahren Praxis habe ich einmal gesehen, dass dies so gemacht wurde.
Bei Rückstellungen für Abschluss und Prüfung geht es natürlich den Umweg über Verbindlichkeiten aus LL, wenn die Eingangsrechnung kommt. Das liegt in der Natur des Vorganges. Aber bei Ertragsteuern macht ein solcher Zwischenschritt überhaupt keinen Sinn. Auch hier: Ein Profi kann das einordnen. Für Anfänger entsteht unnötige Verwirrung.
Dies sind nur wenige Beispiele.
Was halte ich insgesamt von dem Xpert-Zertifikat?
Die Prüfungen an sich finde ich gut aufgebaut und die Punktvergabe gut ausgewogen und nachvollziehbar. Die Lehrbücher sind klar strukturiert, mit sehr guten Erklärungen und übersichtlichen Beispielen.
Für Teilnehmer, die bereits Kreditorenbuchhalter sind oder in irgendeiner Form in den letzten 2 Jahren mindestens ein paar Monate gebucht haben, halte ich diese Art Prüfung für sehr gut.
Für Teilnehmer mit einer 10 Jahre alten kaufmännischen Ausbildung: Meiner Meinung nach nicht geeignet und auch nicht sinnvoll, jedenfalls nicht als Einstieg.
Geben Sie mir und dem Kurs vorher 4 Wochen Zeit, um die Grundlagen zu verstehen. Danach macht es Sinn, im Detail aufzubauen.